Der digitale Mai: Medienkompetenz ohne Informatikstudium

media-news-for-parents.comDer Mai war im Hinblick auf mediale Entwicklungen höchst interessant. Zu Beginn des Monats kämpfte die Digitalkonferenz Re:Publica in Berlin auch im zehnten Jahr ihres Bestehens um Netzneutralität, Verbraucherschutz und gegen Netzkriminalität. Ironischerweise suchte zeitgleich der European Newspaper Congress in Wien nach Antworten auf die negativen Umsatzauswirkungen des Internets auf die Verlagsbranche und stellte neue Möglichkeiten der Monetarisierung ihrer Inhalte vor. Während Frank Rieger als Sprecher des Chaos Computer Clubs in Berlin erläuterte, wie einfach Trojaner mithilfe von Werbenetzwerken auf Privatcomputer geschleust werden können, begeisterte sich Jan-Eric Peters als Chief Product Officer für das neuste Digitalprojekt des Axel-Springer-Verlags und betonte die Steigerungsmöglichkeiten von Werbeeinnahmen für Verlage durch den News-Aggregator „Upday“.

Die komplexe Technikdebatte

Auf den ersten Blick erscheint die Diskussion um die Internet-Entwicklungen an dieser Stelle komplex und für den Bürger nur schlecht durchschaubar. Sind Werbeeinblendungen nun gut zur Sicherung von Arbeitsplätzen oder stellen sie eine mögliche Bedrohung dar, der man mit Werbeblockern entgegen treten soll?

Bei genauerem Hinsehen wird hier eine Grundsatzdebatte tangiert, die immer wieder auftaucht, wenn das Buzzword „Medienkompetenz“ gebraucht wird. In wie weit sollen Verbraucher individuell verantwortlich sein für den Schutz ihrer Systeme und Daten und ab wann sollte ein zentraler Verbraucherschutz greifen?

Das Internet geht nicht mehr weg

Die Süddeutsche Zeitung ruft in ihrem Artikel „Digitaler Wandel: Kampf der Skeptiker gegen Visionäre“ zu einer neuen Herangehensweise an derartige Fragestellungen auf. Die Digitalisierung ist nicht mehr umkehrbar, salopp gesagt, das Internet geht nicht mehr weg. Wer diesen Umstand akzeptiert, ist leichter in der Lage, über konstruktive Lösungen für bestehende oder sich für die Zukunft abzeichnende Probleme nachzudenken, ohne einer „schönen alten Welt“ von gestern nachzutrauern und darüber das gezielte Engagement für sinnvolle und vor allem praktikable Lösungen zu vernachlässigen.

Auf diese Weise kommen auch die Verbraucherschützer mit den Werbetreibenden des Landes auf eine gemeinsame Linie, wenn die Werbung als solche nicht kritisch gesehen wird, sondern nur die sie ausliefernde Technik dahinter. Für die sichere Ausgestaltung dieser Technik sollte verständlicherweise der Anbieter verantwortlich sein und nicht der Nutzer.

Die Verantwortung der Anbieter

Eine sichere Smartphone-Nutzung für Jugendliche bedeutet dann nicht mehr Verbieten und Verhindern durch den einzelnen User (z. B. durch technische Sperren), sondern die Entwicklung sicherer Systeme, die trojanerinfizierte Kettenbriefe oder offensichtliche Fake-Meldungen, die nur dem Sammeln von persönlichen Daten dienen, von vornherein als Malware erkennen und sperren.

Die Hoffnung des Chaos Computer Clubs, die bei den regelmäßig stattfindenden Crypto-Partys geäußert wird, dass irgendwann jeder Bürger seine komplette Internet- und Email-Nutzung verschlüsselt, dürfte mit ziemlich hoher Sicherheit enttäuscht werden. Die Hoffnung von Frank Rieger, dass sich die Anbieter von Werbenetzwerken, Software oder sonstiger technischer Angebote aber genauso sehr für die sichere Ausgestaltung ihrer Systeme interessieren wie für die damit einhergehenden Verdienstmöglichkeiten, ist dagegen realistischer, da sich dieses Interesse politisch steuern und fördern lässt. An diesem Punkt gilt es daher anzusetzen.

Der User ist kein Experte

Medienkompetenz sollte in diesem Sinne nicht bedeuten, dass sich alle Lehrer, Eltern und Schüler (oder eben alle Bürger) umfangreiche mathematische und informationstechnische Kenntnisse aneignen müssen, um alltägliche Gebrauchsartikel einigermaßen sicher nutzen zu können. Es ist davon auszugehen, dass dies die Bürger sowohl in technischer als auch in zeitlicher Hinsicht überfordern würde. Schließlich verlangt auch niemand von einem Urlauber, dass er vor der Flugreise die Sicherheitsansagen des Flugpersonals auswendig lernt oder mit dem richtigen Zeitpunkt für das Anlegen des Anschnallgurtes beschäftigt.

Die Lust auf Innovationen

Die Konzentration auf einen starken und zentral gesteuerten Verbraucherschutz auch bei digitalen Themen würde auch dazu führen, dass sich die Bürger weniger mit den möglichen Gefahren der neuen Technologien beschäftigen müssten und sich auf diese Weise die gesellschaftliche Debatte stärker auf die positiven Entwicklungen konzentrieren könnte.  Das dadurch entstehende technologie- und investitionsfreundliche Klima wäre auch ganz im Sinne von Frank Thelen, der als Unternehmer und Technologieinvestor in diesem Monat bei Frank Plasberg die technologische Rückständigkeit von Deutschland angemahnt und vor den negativen wirtschaftlichen Folgen gewarnt hat.

In diesem Sinne hieße Medienkompetenz, Technologien mit Umsicht, verantwortungs- und auch lustvoll zu nutzen, ohne jedoch Informatiker werden zu müssen. Das Austarieren dieses Spagats bleibt die zentrale Herausforderung unserer Zeit.

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