Kunst ohne Handy – das geht!
Durch clever verschachtelte Messestandwände entsteht Jahr für Jahr in drei übereinanderliegenden Messehallen ein kunterbuntes Museum. Galerien aus der ganzen Welt stellen auf diese Weise ihre zeitgenössische Kunst in einem riesigen, temporären Museum vor. Anklagende Neonröhren, künstliche Spiegeleier, glänzende Stehlen, digitale Münder, mit Edding ergänzte Fotos, winzige Bilder, riesige Skulpturen, Live-Performances – man weiß meist gar nicht, wo man zuerst hinschauen soll.
Cyan in gelb
Normalerweise finde ich recht schnell die Kunststücke, die mir gefallen und in meinem Kopf eine Geschichte starten. Ohne Geschichte gehe ich weiter. Mit Geschichte mache ich ein Foto vom Kunstwerk und vom kleinen Zettel daneben, damit ich später nachlesen kann wie der Künstler hieß. Wieso? Keine Ahnung. Wahrscheinlich habe ich in meinem tiefsten Inneren immer gehofft, mir irgendwann eines der Kunstwerke leisten zu können. Auf meinen Fotos kann ich dann nachlesen, welche Künstler mich fasziniert haben. So ging das seit Jahren. Bis vorgestern.
Diesmal hatte ich mein Handy vergessen. Ich. Die Medienberaterin. Nicht zu fassen. Nach der Entdeckung war ich geschockt. Ein Messebesuch ohne Fotomöglichkeit. Umkehren? Eine Kamera ausleihen? Tausend Gedanken in meinem Kopf. Aber dann entschloss ich mich, einfach mal so durch die Ausstellungen zu wandeln, wie Menschen das früher gemacht haben. Vor unendlich langen Zeiten. Also vor 2007 in der Prä-iPhone-Welt.
Durch die Gänge schlendern. Die Werke auf sich wirken lassen. Sich ohne Blick auf den Künstler nur von der reinen Kunst anziehen lassen. Was soll ich sagen, es wurde
einer der eindrucksvollsten Kunstbesuche, die ich je hatte.
Während ich sonst bei jeder Gelegenheit die Rufe nach medien- oder digitalfreien Zeiten verteufele (Kids brauchen sie nicht, sie lieben ihre Multimediaumwelt und finden ihren eigenen Weg des gesunden Umgangs damit; bevor man Erwachsenen die Medien wegredet, sollten diese sie eher mehr nutzen, um sie besser verstehen und in der Folge auch verantwortlicher und zielgerichteter damit umgehen zu können. Dann könnten sogar die Deutschen als fast letzte Nation der Erde verstehen, wofür Twitter gut ist), habe ich meinen handyfeien Messebesuch geliebt und ein ganz neues Kunsterlebnis entdeckt.
Die pure Kunst hat mich bewegt.
Die Künstler wären wohl begeistert gewesen. Vielleicht sind erzwungene digitalfreie Zeiten manchmal doch gar nicht so schlecht.
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