Digital Natives sind erstaunlich

Wo Schule und Elternhaus sich ergänzen

Commodore 64 - PC von früherAnfang der Woche überraschte mich meine Tochter mit der Erklärung, dass sie bis Freitag ein Referat mithilfe von PowerPoint vorbereiten müsse. Das hörte ich gerne. In meiner Vorstellung saß ich neben meiner Tochter, wies sie in Funktionen wie Masterfolien und Folienübergangsanimationen ein und forderte sie auf, bei der Formatierung der Schriften und Platzierung der Bilder kreativ zu werden. Wie immer freute ich mich als Mutter darauf, dem eigenen Nachwuchs etwas beibringen zu können. Leider kam es nicht so weit.

Nach zwei Tagen hatte sie ihre Präsentation fertig. Völlig ohne Mamas Hilfe. Sie hatte programminterne Gliederungsfolien benutzt, die Folienüberschriften passend zum Textinhalt farbig gestaltet, eigene Aufzählungszeichen gewählt und Folienübergänge eingerichtet, die ich noch nie gesehen hatte.

Und das mit 13!

Wahrscheinlich hatte man ihr all diese Funktionen ein einziges Mal in der Schule gezeigt und sie hatte sie sich mit dem erstaunlichen Gedächtnis, das Kindern eigen ist, einfach alle sofort gemerkt. Da sage noch einer unser Bildungssystem wäre veraltet. Es macht einfach nur kein Aufhebens davon, dass es sich Jahr für Jahr klammheimlich weiterentwickelt.

Ich beneide meine Tochter um ihr Computer- und Softwarewissen. Noch bin ich ihr ein gutes Stück voraus, aber mal sehen, wie lange noch. Sie wird mich ohne Frage überholen, denn sie fängt viel früher an als ich.

Früher war alles anders

In meiner Schulzeit gab es bis zum Abi im Jahr 1993 gar keinen Computerunterricht, in meiner darauf folgenden Ausbildung nur eine Stunde EDV-Schulung in der Woche. Das reichte gerade mal für die Basisfunktionen von Word (schließlich schrieben wir noch hauptsächlich mit der Schreibmaschine) und die Fähigkeit, eine Excel-Tabelle mit Linien zu formatieren und die Summenfunktion anzuwenden. Im ersten Job 1996 nutzten wir noch einen Papierkalender parallel zu Outlook im PC. Das war unser Backup für den Fall, dass der PC ausfallen würde. Als wir uns 1997 durchrangen, auf den Papierkalender zu verzichten, druckten wir den Kalender der Folgewoche noch jeden Freitag aus. Ob das „neue“ Internet in der kommenden Woche auch noch laufen würde, konnte man ja nicht sicher wissen.

Fachvokabular – wozu?

Übrigens durften längst nicht alle Mitarbeiter auf „das Internet“ zugreifen. Mitarbeiter ohne Leitungsfunktion mussten einen Antrag stellen, wenn sie auf die Liste der „Kollegen mit Internetzugangserlaubnis“ kommen wollten, und ihren Bedarf gut begründen. Das Internet starteten wir übrigens mit dem kleinen blauen e. Dass dieses Symbol in der Fachsprache ein „Icon“ war, das den „Browser“ startet, lernte ich wie Brigitte Zypries erst rund 10 Jahre später.

Wir schrieben auch das Jahr 1997, als mir von einer neuen Kollegin PowerPoint beigebracht wurde. Vor 20 Jahren – da darf ich gar nicht drüber nachdenken. Damals kopierten wir mangels besseren Wissens immer die vorherige Folie, um eine neue anzulegen. Eine Gliederung entstand so nicht und Gliederungs- und Formatierungsänderungen musste man auf jeder Seite einzeln anpassen. Um Kästchen exakt untereinander anzuordnen, vergrößerten wir die Ansicht auf 400% und schoben die Elemente mit ganz viel Gefühl und minimalen Handbewegungen so lange hin und her, bis es einigermaßen gleichmäßig aussah. Learning by Doing hieß das damals, Softwareschulungen oder Youtube-Tutorials gab es nicht.

Fachwissen in der Schule – Lebenswissen zu Hause

An all das erinnerte ich mich zurück, weil meine Tochter zum ersten Mal zu Hause Powerpoint benutzen sollte. Irre, mit was für einem Wissen unsere Kinder ins Berufsleben starten werden.

Gestern waren wir übrigens zusammen auf Deutschlands meistbesuchter Einkaufsstraße shoppen. Das Gedränge dort fühlte sich auch so an. In der Fußgängerzone warnte ich deshalb meine Tochter vor Taschendieben (Rucksack mit Portemonnaie und Handy vom Rücken in die Hand!) und im Parkhaus sollte sie sich Parkplatznummer und Etage merken, damit wir unser Auto auch wiederfinden würden. Irgendwas kann ich ihr dann doch noch beibringen.

 

 

2 Kommentare zu Digital Natives sind erstaunlich

  1. Vergiss nicht, deiner Tochter das 10-Finger-Schreibmaschineschreiben beizubringen. Das macht die Schule bestimmt nicht mehr, erleichtert aber auch den Computerkids das Leben. Meine Tochter wollte davon nichts wissen, jetzt stöhnt sie. 😉

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